23 | 11 | 2023

«Sinne werden nicht dement»

Der Basler Wirrgarten vor dem Umzug ins Oekolampad

Das Projekt Atrium Jung für jungbetroffene Menschen mit Demenz stösst auf grossen Anklang. Gemeinsam mit der Tagesstätte und der Beratungsstelle des Basler Wirrgarten wird Atrium Jung im Gemeindehaus Oekolampad eine neue Heimat finden. Dort soll ein geschützter Garten die Sinne der demenzbetroffenen Gäste anregen.

Mehr Luft und Licht

Das neue Mobiliar ist bereits bestellt. Es braucht Schränke, Tische, Stühle und Sofas. Denn der Basler Wirrgarten wird im Gemeindehaus Oekolampad mehr Platz haben, um seine Dienstleitungen für Demenzbetroffene anbieten zu können. Die Tagesstätte, die Beratungsstelle und die Büros für die Geschäftsstelle werden in den Osttrakt mit Eingang an der Schönenbuchstrasse 9 ziehen. Dazustossen wird auch das Projekt Atrium Jung. Bisher war dieses Tagesstrukturangebot für jung- und frühbetroffene Menschen mit Demenz in den Räumlichkeiten des Humor Labors Pello im St. Johannquartier daheim.

Birgit Sachweh, Geschäftsleiterin der Stiftung Basler Wirrgarten, freut sich auf mehr Luft und Licht am neuen Ort. «Endlich werden wir einen Garten haben. Das wird ein Bijou.» Im geschützten Garten werden Düfte, Farben oder die wechselnden Jahreszeiten für die Gäst*innen erleb- und spürbar. «Die Sinne werden nicht dement. Daher ist die Förderung von sinnlichen Erfahrungen eine Ressource für das Wohlbefinden von demenzerkrankten Menschen», erklärt Birgit Sachweh. Im Garten könnten in Zukunft geplante Begegnungen von Demenzbetroffenen mit den Familien der Institution AMIE Basel, die im Westtrakt gegenüber einziehen wird, möglich sein. Sachweh könnte sich auch vorstellen, dass Gäst*innen des Wirrgarten die Generalproben des Vorstadttheaters Basel besuchen oder sich für Gesprächsrunden im Bistro Rosa treffen werden. Es soll ein Miteinander der verschiedenen Institutionen im Gemeindehaus Oekolampad geben.

Noch ist der Garten eine Baustelle. Birgit Sachweh freut sich auf den demenzgerecht gestalteten neuen Garten, der ein «Bijou» werden wird. Foto: Donata Ettlin

Atrium Jung: Trotz Start in Corona-Zeiten erfolgreich

Im September 2022 lancierte der Basler Wirrgarten das Projekt Atrium Jung. Das war mutig, denn die Coronapandemie war noch nicht vorbei. Dennoch waren die acht Plätze schnell ausgebucht. Das überraschte Birgit Sachweh nicht. Bereits 2017 hatte Flurina Manz, Leiterin der Beratungsstelle, auf Anregung eines Betroffenen im Wirrgarten eine Gesprächsgruppe für Jungbetroffene gegründet. Diese Gruppe war die «Keimzelle» von Atrium Jung, sagt Birgit Sachweh. Erstmals erhielten jungbetroffene Menschen mit Demenz die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Als wegen Corona keine Kino- oder Bibliotheksbesuche mehr möglich waren, wurde zusätzlich eine Wandergruppe ins Leben gerufen.

Die Erfahrungen mit diesen beiden Gruppen und auf der Beratungsstelle zeigten den Verantwortlichen, dass es ein Bedürfnis für ein Tagesstrukturangebot für Jungbetroffene gibt. Die Idee für das Atrium Jung war geboren. In der Tagesstruktur begleiten zwei Fachpersonen einmal pro Woche die Gäst*innen einen ganzen Tag beim Kochen, kreativen Arbeiten, Tanzen oder auf gemeinsamen Ausflügen. Im ersten Jahr von Atrium Jung waren fünf der acht Besuchenden zwischen 60 und 65 Jahre alt, zwei zwischen 55 und 59 Jahre und eine Person war älter als 65. Die Personen wohnten zur Hälfte im Kanton Basel-Stadt, drei in Baselland und eine im Aargau. Balthasar und Vilma Härdi berichteten im Sommer 2023 in der Basler Zeitung (nur mit Abo) eindrücklich über ihre Erfahrungen als Teilnehmende des Atrium Jung und als Angehörige. Die Diagnose Demenz trifft Jungbetroffene hart, weil sie und ihre Partner*innen oft noch mitten im Leben stehen und einer Arbeit nachgehen. Entsprechend dankbar sind beide für das Angebot von Atrium Jung.

Aus dem Projekt wird ein ordentliches Angebot

Rund 150 potenzielle Patient*innen im Raum Basel gibt es für das Tagesstrukturangebot von Atrium Jung, hielt das Kompetenzzentrum für Evaluation Interface im August 2023 in einem Bericht fest. Diesen hatte die Firma im Auftrag des Basler Wirrgarten als Zwischenbericht für die Geldgebenden verfasst. Interface befragte verschiedene Fachpersonen und Projektbeteiligte. Die Gäst*innen würden menschlich sehr gut abgeholt, heisst es im Bericht. Auch die Betroffenen fühlten sich in der Gruppe verstanden, erführen durch die Gruppe Zugehörigkeit und bauten einen neuen Freundeskreis auf. Fazit: Das Atrium Jung trage zur Erhaltung der Lebensfreude der Betroffenen und zur Entlastung der Angehörigen bei.

Der Basler Wirrgarten wird seinen Haupteingang an der Schönenbuchstrasse haben. Noch stehen hier die Elektriker und Maler im Einsatz. Foto: Donata Ettlin

Das soll auch nach dem Umzug ins Gemeindehaus Oekolampad so bleiben, wünscht sich Birgit Sachweh. Nach Abschluss des Pilotprojekts übernimmt der Kanton Basel-Stadt einen Teil der Kosten für die Einwohnenden des Stadtkantons, die das Angebot des Atrium Jung nutzen. Dass sich die öffentliche Hand an den Kosten beteiligt, mache Sinn. «Demenz darf kein privates Schicksal bleiben», sagt Birgit Sachweh. Es brauche dringend Entlastung, denn die Freiwilligkeit und die Freiwilligenarbeit in der Betreuung stossen an Grenzen.

Lesen Sie auch den Beitrag «Von Menschen für Menschen» vom 17. November 2021.