30 | 11 | 2023

Lust aufs Theater, Lust aufs Quartier

Das Vorstadttheater lädt sein neues Umfeld auf die Bühne ein

Mit dem Stück «Merlin oder Das wüste Land» verbindet das Vorstadttheater die Vergangenheit und die Zukunft, führt professionelles Theaterschaffen und Laienschauspieler*innen zusammen, baut Brücken in die Gesellschaft – und nicht zuletzt: Das Vorstadttheater kommt mit der Eröffnungsproduktion in seinem neuen Quartier an.

Matthias Grupp, der Co-Leiter des Vorstadttheaters im Einsatz mit den Laienschauspieler*innen. © Donata Ettlin

Den Einzug ins Oekolampad begeht das Vorstadttheater mit einer neuen Produktion. «Merlin oder Das wüste Land» feiert am 20. April 2024 Premiere. Bis dann steht für das Theater noch einiges an, wie der Abschied vom langjährigen Zuhause an der St. Alban-Vorstadt, der Umzug in die neuen Räumlichkeiten und natürlich die intensiven Proben am Stück.

Von acht bis siebzig

Gespielt wird mit einem Ensemble aus neun professionellen Bühnenschaffenden und zwanzig Lai*innen. Die Kombination von Profis und Nichtprofis ist besonders interessant, aber auch besonders anspruchsvoll. Einige der Lai*innen konnten bereits Schauspielerfahrung sammeln, für viele ist es jedoch die erste Theaterproduktion. Um herauszufinden, wem ein solches Unterfangen zusagt, fanden im Herbst 2023 zwei halbtägige Schnupperworkshops statt, an welchen über 50 Personen teilnahmen. Ausgewählt wurden dann 20 Personen, die eine beachtliche Altersspannbreite abdecken: Sie sind zwischen acht und siebzig Jahren alt.

Gesucht wurden die Lai*innen mit besonderem Fokus auf den neuen Standort des Vorstadttheaters im Gemeindehaus Oekolampad. «Wir wollen dem Quartier die Chance bieten, sich mit dem neuen Theater zu identifizieren», erläutert Gina Durler, Co-Leiterin des Vorstadttheaters und ergänzt: «Wir haben bei der Ausschreibung des Projekts mit Institutionen aus dem Quartier zusammengearbeitet und versucht, sprachliche Hürden zu überwinden.»

Gemeldet haben sich dann allerdings Neugierige aus ganz Basel. Für die Kommunikationsverantwortliche Samara Leite Walt macht dies die Sache nicht minder interessant. Das Vorstadttheater habe in diesem Projekt bereits viel gelernt: «Wir mussten feststellen, dass ein solches Casting viele Ressourcen beansprucht und Beziehungsarbeit erfordert. Es ist aber eine Arbeit, die sich lohnt.» Gina Durler bestätigt dies: «Die neuen Mitglieder des Ensembles bringen viel gute Energie ein. Es ist spürbar: Sie haben Lust, im Theater Teil von etwas Grösserem zu sein.»

Von den Mitwirkenden wird aber auch viel abverlangt werden. Normalerweise werden fünf bis zehn Vorstellungen mit Lai*innen gespielt. Bei «Merlin oder Das wüste Land» werden es 17 sein.

Ein Teil des Ensembles von «Merlin oder Das wüste Land» beim Start der Proben. © Donata Ettlin

Einladung zur Diskussion

Das Theaterstück von Tankred Dorst ist ein Stück der 1980er-Jahre im Stile der Artussage. Es spielt in der Zeit der Christianisierung des heutigen Grossbritanniens und verhandelt zentrale gesellschaftliche Fragen, die heute genauso aktuell sind wie damals, wie Gina Durler betont: «Es geht um gutes Regieren und die Teilhabe innerhalb einer Gemeinschaft.» Und wie immer sind gute Antworten auf diese grossen Fragen nicht ganz einfach zu finden. Im Stück scheitern letztlich alle Bestrebungen für ein friedliches Zusammenleben.

Mit dieser Geschichte misslungener Utopien wird sich das Vorstadttheater nicht nur auf die Bretter, die die Welt bedeuten, sondern auch ins Quartier wagen. Das Vorstadttheater wird die neue Nachbarschaft – ähnlich wie die Ritter der Tafelrunde – an einen runden Tisch laden, um über Utopien und Gemeinschaft zu diskutieren. «Wir wollen den Fokus auf verbindende Elemente richten und danach fragen, wie wir zusammenleben wollen», sagt Gina Durler. «Das ist auch eine Aufgabe des Theaters. Ich bin momentan ziemlich fassungslos über die schlimmen Nachrichten, die uns aus aller Welt erreichen. In diesen Zeiten ist es umso dringlicher, dass man mit seinem Gegenüber empathisch ist und dass man einen wertschätzenden Umgang pflegt.»

Mit dem Haus wachsen

Gelegenheiten für direkte Begegnungen soll es im Vorstadttheater zukünftig viele geben. Die grosszügigeren Räumlichkeiten im Gemeindehaus Oekolampad sollen genutzt und das vielfältige Umfeld einbezogen werden. Geplant sind Kulturangebote für jung und alt – von Produktionen für die Kleinsten über Workshops mit Schulklassen bis zu Diskussionsrunden für die älteren Semester. «Bei uns sind alle willkommen», sagt Samara Leite Walt. «Wir wollen ein Ort sein, wo man diskutieren und drüber nachdenken kann, wer man ist.»

Sie ist zuversichtlich, dass diese Diskussionen fruchtbar sein werden. Es hätten sich bereits Quartierbewohner*innen gemeldet, die an einem Austausch interessiert sind und ihre Hilfe anbieten.

Um die Entwicklung am neuen Ort möglichst vielfältig und breit gestalten zu können, setzt sich das Vorstadttheater aktuell auch mit den Thema Diversität auseinander und nutzt ein entsprechendes Angebot des Kantons Basel-Stadt und Pro Helvetia. Man werde sich am neuen Ort aber auch Zeit für Entwicklungen lassen, um organisch mit dem Ort wachsen zu können, so Samara Leite Walt. Entscheidend sei dabei für das Vorstadttheater auch die Gemeinschaft und der Austausch mit den anderen Institutionen im Gemeindehaus Oekolampad, auf die sich Gina Durler besonders freut: «Als ich erfahren habe, wer früher alles im Oekolampad unter einem Dach zusammenkam – eine Kirche, eine Poststelle und Vereine – und wer zukünftig diese Räume beleben wird, war mir klar: Das passt zu uns!»

Einblick in die ersten Proben mit den Lai*innen in kleinen Gruppen. © Donata Ettlin

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